Zeitlichter


OSKAR LAFONTAINE (SPD Vorsitzender 1995 - 1999)
Als ich ihn im Sommer 1998 im Willy Brandt - Haus traf sprachen wir auch über seine Begegnungen mit Erich Honecker. Von ihm bekam er als Gastgeschenk eine Puppe des DDR-Fernsehstars "Pittiplatsch". Dass ich den SPD Vorsitzenden im hochpolitischen Gespräch auch fragte, ob er Pittiplatsch und Schnatterinchen auch vor seinem Besuch schon kannte, stieß bei einigen Radiokollegen (SFB/ORB) auf großes Unverständnis.

Peter Scholl-Latour (1924-2014)
"Die Welt ist sein Zuhause und zugleich sein journalistisches Spielfeld. Seine Berichte und Analysen aus Afrika, Asien und dem Orient haben Prof. Dr. Peter Scholl-Latour berühmt und als Gesprächspartner gefragt gemacht.", schrieb der MERKUR zu seinem 90. Geburtstag. Ich besuchte ihn im Frühjahr 1998 in seiner Berliner Wohnung. Durch eines der großen Fenster sah man den Funkturm. "Wenn ich die Augen zusammenkneife, wird aus dem Funkturm La Tour Eiffel, bemerkte Scholl lächelnd.
Scholl-Latour, der sowohl die deutsche als auch die französische Staatsbürgerschaft hatte, lebte abwechselnd in seinen Wohnungen im Bad Honnefer Ortsteil Rhöndorf, in Berlin-Charlottenburg, in Paris und in einem Haus in Tourrettes-sur-Loup bei Nizza.

Hans Bentzien(1927-2015)
Bentzien, einst jüngster Minister in der DDR, wurde 1966, nach dem 11. SED Plenum, als Kulturminister abgelöst. Die nächste Station: Leiter des Verlags NEUES LEBEN. Auch seine Zeit beim DDR Fernsehen (1977-1979) war kurz. Ablösung, wegen der Ausstrahlung von Filmen, die von der Parteiführung kritisiert wurden. Ich lernte ihn im Jahr 1975 näher kennen, als er im DDR Rundfunk Leiter der Hauptabteilung Funkdramatik wurde. Wichtiger Gesprächspartner war er in den Jahren des politische Umbruchs 1989/90, als er Generalintendant des Deutschen Fernsehfunks war. Walter Jens, nannte ihn im Gespräch mit mir eine "gebildeten und kämpferische Sozialisten". Das Foto zeigt Bentzien im Frühjahr 1998 nach der Aufzeichnung einer Sendung über die Rolle Preußens in der Deutschen Geschichtete in der Reihe "FORUM- die Debatte im InfoRadio".

Richard Karl Freiherr von Weizsäcker (1920-2015)
Er war von 1981 bis 1984 Regierender Bürgermeister von Berlin und von 1984 bis 1994 der sechste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Von Weizsäcker war nach Theodor Heuss der bisher einzige Bundespräsident, der zwei vollständige Amtszeiten absolviert hat. In seine Amtszeit als Bundespräsident fiel die deutsche Wiedervereinigung in den Jahren 1989 bis 1990; somit wurde von Weizsäcker der erste Bundespräsident des vereinten Deutschlands. Ich traf ihn im Mai 2002 im MAGNUS HAUS , hier hatte er seinen Berliner Amtssitz als Altbundespräsident. Soll und Haben im Viereinigungsprozess, die Rolle der Parteien in der Demokratie und die Beziehungen der Bundesrepublik zu den Nachbarn im Osten, waren unsere Gesprächsgegenstände.

Walter Nowojski (1931-2012)
Der in Annahütte (Niederlausitz) geborene Nowojski war 1965 mein erster Chef in der Kulturredaktion von RADIO DDR. Der Germanist arbeitete ab 1959 als Literaturredakteur beim Rundfunk der DDR, später wurde er Leiter des Bereichs Hörspiel. 1969 wechselte er zum Deutschen Fernsehfunk und wurde Leiter des Bereichs Dramatische Kunst. Wegen politischer Differenzen wurde er 1974 entlassen. Von 1975 bis 1990 war er Chefredakteur der Zeitschrift Neue Deutsche Literatur. Bekannt wurde Nowojski vor allem als Herausgeber der Tagebücher Victor Klemperers, mit dessen Nachlass er sich seit 1978 beschäftigte. Das Foto aus den Sommermonaten des Jahrs 1999 zeigt uns nach einem Gespräch in einem Studio im HdR. Thema waren die im Aufbau-Verlag erschienen beiden Bände von Victor Klemperers Tagebüchern 1933–1945 "Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten". Die Publikation hat inzwischen weltweite Verbreitung gefunden.


Wolfgang Harich ( 1923-1995) und Melvin J. Lasky (1920-2004)
Ich lud beide 1990 in mein Radio - Arbeitszimmer im Block E, in der Nalepastrasse ein. Wir zeichneten die Sendung "FÜR UND WIDER" auf. Anstoß für die Aufnahme, war das Wort von Wolfgang Harich: „Lasky, der Krieg ist aus, du hast gewonnen.“ Wolfgang Harich war Philosoph, Journalist und einer der bedeutendsten und widersprüchlichsten marxistischen Intellektuellen der DDR. Melvin Jonah Lasky war ein US-amerikanischer Publizist der antistalinistischen Linken. Bekannt wurde er in Deutschland vor allem als Herausgeber der antikommunistischen Zeitschrift Der Monat. Mit anderen Worten: Ein Treffen von Antipoden nach dem Ende der DDR. Ein Vierteljahrhundert nach diesem Treffen staune ich über mich selbst, wie ich mit der Unerschrockenheit der Ignoranz beide an den Tisch bat. (Harich, Eichhorn, Lasky, v.l.n.r.)

Armin Hary
Armin Hary , am 22. März 1937 in Quierschied geboren machte Schlagzeilen als ich zur Oberschule ging. In seiner Laufbahn wurde er jeweils zweimal Olympiasieger und Europameister. Als erstem Sprinter gelang es ihm 1958, die 100 Meter in handgestoppten 10,0 s (auf der Aschenbahn) zu laufen. Hary ist damit der bislang letzte Deutsche als auch Europäer, der den 100-Meter-Weltrekord gehalten hat. 2011 wurde er in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen. Als Schüler imitierte ich seinen 100m Start. Es sprang leider keine Medaille heraus. Im Gegensatz zu anderen Sprintern, legte Armin Hary die Mittelfinger auf die Bahn. Warum, erkläre er mir , 50 Jahre später, bei der Vorstellung des Buches „Läufer des Jahrhunderts. Die atemberaubende Karriere des Armin Hary“ in Berlin.


Günter Wallraff, geboren am 1. Oktober 1942 in Burscheid, bin ich, schon als Mitarbeiter von Radio DDR, mehrfach begegnet. Als Enthüllungsjournalist und Schriftsteller hat er sich durch seine Reportagen über diverse Großunternehmen, die Bild-Zeitung und verschiedene Institutionen einen Namen gemacht. Seine Methoden des investigativen Journalismus sind lange Zeit das A&O in diesem Genre gewesen. Ich erinnere mich gern an die Gespräche an seinem Küchentisch in Köln, an dem, wie er ausführlich berichtete , einst auch Lew Kopelew und Wolf Biermann saßen. Die NDL ( H.8 1976) veröffentlichte eines meiner Interviews mit ihm unter der Überschrift „Sicht von unten“. Nahezu spektakulär war eine Aufnahme mit Wallraff im Raum P10 des DDR Rundfunks in der Nalepastraße. Vorbei an allen Wachen hatte ich ihn vor das Mikrophon gesetzt. Die anschließende Belehrung nahm ich gern an.(Das Foto entstand, viele Jahre danach, in Neuhardenberg)

Chris Barber (Christopher Donald Barber), ein Mann vom Jahrgang 1930 ist ein britischer Posaunist, Kontrabassist, Sänger und Jazz-Bandleader. Ein Trendsetter, der die Entwicklung eines eigenständigen britischen Jazz beeinflusst hat. Ein Idol meiner Jugend. Ende der 60iger Jahre interviewte ich ihn im damaligen PARK HOTEL in Leipzig. Barber wollte ursprünglich Mathematik studieren. Deshalb die Überschrift „Cosinus contra Posaune“ der „BZ am Abend“ , die damals mein Radiointerview, das ich als Journalistikstudent führte, druckte. Noch heute tritt der große alte Mann des Jazz regelmässig, auch in Berlin, auf. Am 10. September 1954 entstand für Storyville Records der Titel „Ice Cream“ , eine Coverversion des 1927 von Fred Waring And His Pennsylvanians und am 5. August 1944 durch George Lewis eingespielten Originals. Dieser Song ist seit langer Zeit Barbers Markenzeichen. Er kennzeichnet seit Jahrzehnten das Ende seiner Konzerte. So war es auch als ich ihn im SCHILLER THEATER in Berlin kürzlich wieder traf.


Uwe Seeler (1936), gehört zu den Zeitgenossen, mit denen man sich einfach fotografieren lassen muss.Er galt in seiner aktiven Zeit als einer der besten Mittelstürmer der Welt, ist das was man kurz Legende nennt. Mit ihm als Mannschaftskapitän wurde das deutsche Team bei der Weltmeisterschaft 1966 Vizeweltmeister. Auch beim Erreichen des dritten Platzes bei der Weltmeisterschaft 1970 trug er die Kapitänsbinde. Aufgrund seiner Verdienste um den deutschen Fußball ernannte ihn der DFB 1972 als zweiten Spieler überhaupt zum Ehrenspielführer der A-Nationalmannschaft, obwohl er nie einen Titel mit ihr gewann. Als ich ihn, vor Jahren, bei der Eröffnung der Galeria Kaufhof mitten im Zentrum Berlin, traf gab es im Gespräch keinen Grund über den HSV zu nörgeln. Deshalb unsere entspannten Gesichter!
 

Alexander Schalck-Golodkowski (1932-2015)
Ohne Frage, eine bizarre Gestalt im deutsch-deutschen Verhältnis. Sowohl zu Zeiten der DDR , als auch nach dem Mauerfall. Er war Oberst im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und Wirtschaftsfunktionär der DDR.Bekannt war er als Leiter des geheimen Bereichs für Kommerzielle Koordinierung im Ministerium für Außenhandel, der durch die Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung (AG BKK) des MfS kontrolliert wurde. Dieser Bereich war zuständig für den (inoffiziellen) Handel mit dem kapitalistischen Ausland. Bekanntheit erlangte er im Nachhinein für die Aushandlung eines Kredits in Höhe von einer Milliarde D-Mark, den ein westdeutsches Bankenkonsortium der DDR 1983 gewährte. Schalck-Golodkowskis Verhandlungspartner auf westdeutscher Seite war der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß. Der Gesamtbereich der Kommerziellen Koordinierung, insbesondere die Aufgaben und Tätigkeiten von Schalck-Golodkowski, war Gegenstand des 1. Untersuchungsausschusses des 12. Deutschen Bundestages unter dem Vorsitz des CDU-Abgeordneten Friedrich Vogel. Über das Ergebnis der Untersuchungen gibt es umfangreiche Berichte, vor allem Beschlussempfehlung und Bericht Drucksache 12/7600 vom 27. Mai 1994 mit drei Anlagenbänden und einem Anhangband. Nach den Turbulenzen der Wendejahre verzog er an den Tegernsee. Ich interviewte ihn im Mai 2000 im HILTON-HOTEL in Berlin. Fazit: Geheimnisse wurden nicht gelüftet.